Ein kritischer Blick auf den Themenparcours im Militärhistorischen Museum Dresden
In Dresden betreibt die deutsche Bundeswehr ein Museum zur Militärgeschichte. In diesem Museum befinden sich neben der chronologisch angeordneten Ausstellung zum Militär und seiner Geschichte mehrere Themenparcours. Ein Parcours beschäftigt sich – aus militärischer Perspektive – mit dem Thema Tiere beim Militär. Im August 2017 besuchten Aktive des tierbefreiungsarchivs das Museum mit besonderem Augenmerk auf den Themenparcours.
In der zweiten Etage des herrschaftlichen Gebäudes des von der Bundeswehr betriebenen Militärhistorischen Museums in Dresden (MHMD) befindet sich der Themenparcours Tiere beim Militär. Ein großes „Exponat“ eines indischen („Kriegs-“)Elefanten sticht als Erstes ins Auge, wenn der Themenparcours erreicht wird. Auf einer Art Laufsteg sind weitere Tiere aufgestellt, die die verschiedensten Funktionen in menschlichen Kriegen erfüll(t)en. Im Hintergrund dieser Szenerie stößt mensch auf einen Einführungstext zur Thematik. Die Einführung zum Themenparcours beschreibt eine lange „Tradition“ der Nutzung von nichtmenschlichen Tieren in Kriegen von der Antike bis zu zeitgeschichtlichen Entwicklungen. Auf dem „Laufsteg“ befinden sich neben dem bereits erwähnten Elefanten ein Maultier, ein Schaf, eine Schlange, mehrere Hunde, ein Affe, Kartoffelkäfer, eine Gans und einige weitere Spezies.
Alle ausgestellten Arten wurden unterschiedlichsten Nutzen für menschliche Kriege zugeordnet. Wobei die – zumindest im europäischen Kontext – prominentesten Tiere Hunde und Pferde sind. Innerhalb der Ausstellung werden auch die verschiedenen Nutzungsformen vorgestellt und darauf hingewiesen, dass sich diese im Laufe der Geschichte veränderten. So wurden beispielsweise Gänse als „Wachgänse“ in der Antike eingesetzt, um vor Feinden zu warnen. Schlangen wurden in antiken kriegerischen Auseinandersetzungen als Wurfgeschosse genutzt. Hunde dienten der Übermittlung von Informationen, als Überbringer*innen von Sanitätsmaterialien und in einer sehr krassen Form als Panzersprenghunde – hier wurden die Hunde als lebende Bomben genutzt. Auch die „Ausrüstung“ der Tiere wird in der Ausstellung beschrieben. Für die meisten Besucher*innen war vor allem die Gasmaske für Pferde ein irritierendes Moment. Aber auch die Nutzung von Brieftauben und deren Ausrüstung findet ihren Platz in der Ausstellung. Die Nutzung von im Wasser lebenden Tieren wird an der Nutzung von Meeressäugern exemplarisch vorgestellt. So agierten Meeressäuger im Rahmen der Ost-West-Auseinandersetzung in den 1950er Jahren scheinbar als Symbol fortschrittlicher Kriegsführung: Für die Sowjetunion wurden 140 und für die USA 150 Meeressäuger verschiedenster Spezies (aus)genutzt. Sie wurden eingesetzt, um Unterwasseraufnahmen zu machen oder Taucher zu attackieren.
Allein für den ersten Weltkrieg nennt die Ausstellung Zahlen von 14 Millionen Tieren im Einsatz – hier sind andere Nutzungsformen, wie beispielsweise die Nutzung zur „Nahrungsproduktion“ nicht eingerechnet. Im zweiten Weltkrieg waren es 30 Millionen.
Zwei Beispiele
Zwei kurze Auswahlbiographien, die in der Ausstellung vorgestellt werden, sollen zur Verdeutlichung der Nutzung von Tieren im Krieg und der Darstellung innerhalb der Ausstellung dienen.
Der erste hier vorgestellte „tierische Soldat“ ist „Fridolin vom Noor“. Fridolin wurde 1955 geboren und im Alter von zwei Jahren von der Marineunteroffiziersschule in Plön gekauft. Der vom Tierpark Hagenbeck verkaufte afrikanische Zwergesel diente in der Schule als Maskottchen, wobei er auch als „Zugtier“ zur Bespaßung von Kindern ausgenutzt wurde – wie eine Fotografie auf dem Bildschirm zu Fridolin zeigt. Fridolin wurde, zumindest sprachlich, in die Hierarchie der Marine eingebunden. So wurde er zum „Oberseefeldwebel“ befördert. Für Fridolin wurde ein eigener Tierpfleger eingestellt. Im Jahr 1969 verstirbt Fridolin mit 14 Jahren, über die Todesursache gibt die Ausstellung keinerlei Auskunft. Begraben wurde Fridolin auf dem Gelände der Marineunteroffiziersschule und ein Gedenkstein auf dem Gelände erinnert bis heute an das „Maskottchen“ Fridolin.
Die zweite gewählte Biographie ist die des belgischen Schäferhundes Oskar. Er wurde am 24. Dezember 2000 geboren, über den Geburtsort macht diese Ausstellung keine Angaben. Auch er wurde im Alter von zwei Jahren von einer militärischen Einrichtung gekauft. Die Diensthundeschule in Koblenz kaufte Oskar „nach einem Gesundheitscheck und Überprüfung des Vorhandenseins eines ausreichenden Beutetriebes“. Im Jahr 2003 „lernt Oskar seinen Diensthundeführer kennen“. Oskar wurde in der folgenden Zeit mit Marcel M., „seinem“ Hundeführer, ausgebildet: In mehreren Lehrgängen wurden unterschiedliche Fähigkeiten bei Hund und Mensch „trainiert“. Die klare Hierarchie zwischen Mensch und Tier ist hier, trotz der Sprache, die alles als gemeinsames Erlebnis beschreibt, deutlich zu sehen. So werden in der Grundausbildung die üblichen „Befehle“ Sitz, Fuß, Platz, … antrainiert. Im Jahr 2004 wird Oskar innerhalb von sechs Monaten zum Kampfmittelspürhund ausgebildet. Am Ende dieses Lehrgangs war Oskar in der Lage 30 verschiedene Kampfmittel aufzuspüren. Im darauf folgenden Jahr musste Oskar in den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr ziehen. Seine Aufgabe bestand während dieses Einsatzes und auch während der beiden folgenden in der Suche von Kampfmitteln. Nachdem er von März bis Juli 2005 im Kosovoeinsatz „dienen“ musste, wurde er 2008 zweimal in Afghanistan „eingesetzt“. Im Jahr 2010 schieden Oskar und der Hundeführer Marcel M. aus dem aktiven Dienst aus. Oskar lebte von nun an im Privathaushalt von Marcel M. und verstarb am 07. Dezember 2015 kurz vor seinem 15. Geburtstag.
Bei den Beschreibungen beider Biographien wird sehr deutlich, dass die genutzten Tiere sprachlich in die Militärhierarchien eingeordnet werden. Dieses
Moment scheint die Tiere näher an die Menschen zu rücken und es scheint, als würde sich dadurch die Mensch-Tier-Beziehung verändern. Dies verschleiert jedoch, dass die (Aus-)Nutzung der Tiere zum Zwecke menschlicher Interessen hier im Mittelpunkt steht.
Fridolin und Oskar sind nur zwei Beispiele von unzähligen nichtmenschlichen Tieren, die in menschlichen Kriegen dienen mussten. Allein für den ersten Weltkrieg nennt die Ausstellung Zahlen von 14 Millionen Tieren im Einsatz – hier sind andere Nutzungsformen, wie beispielsweise die Nutzung zur „Nahrungsproduktion“ nicht eingerechnet. Im zweiten Weltkrieg waren es 30 Millionen.
Die verwendete Sprache zeigt jedoch erneut, an welchem Ort diese kleine Ausstellung zu finden ist. Die nichtmenschlichen Tiere werden als Kameraden oder Kollegen bezeichnet. Auch die „Ausbildungen“ und „Einsätze“ werden so beschrieben, als würden sich nichtmenschliche Tiere freiwillig und gern den Kriegseinsätzen anschließen.
Die Beschreibungen der Tiere
Anstelle von klassischen Tafeln, die mit Informationen bestückt sind, werden im MHMD auf dem Themenparcours Monitore mit kurzen Informationstexten und Bildern genutzt. Zu jeder dargestellten Spezies gibt es einen Bildschirm mit Informationen zur Nutzung der nichtmenschlichen Tiere in menschlichen Kriegen. Die kurzen Texte bieten durchaus viele Informationen zu den einzelnen Tieren. Die verwendete Sprache zeigt jedoch erneut, an welchem Ort diese kleine Ausstellung zu finden ist. Die nichtmenschlichen Tiere werden als Kameraden oder Kollegen bezeichnet.[1] Auch die „Ausbildungen“ und „Einsätze“ werden so beschrieben, als würden sich nichtmenschliche Tiere freiwillig und gern den Kriegseinsätzen anschließen. So finden sich vermehrt Beschreibungen wie „dient gemeinsam mit“, die auf ein gegenseitiges Einvernehmen der beiden zusammenwirkenden Spezies hinweisen sollen. Auch die sprachliche Einordnung der Tiere in die Hierarchien des Militärs deutet darauf hin. Auch bei den Beschreibungen mit dem Umgang von „tierischen Soldaten“ nach ihrem „Dienst“ zeigt den alltäglichen Speziesismus in unserer Gesellschaft. So wird es als sehr positiv beschrieben, wenn die Tiere nach ihren „Einsätzen“ und ihrem „Dienst“ an Zoos, Delfinarien oder Tierparks abgegeben werden.
Zusammenfassung
Der Ausstellungsteil über Tiere beim Militär besticht durch die Menge an Informationen über einzelne Spezies beim Militär. Die Inhalte werden Museumsdidaktisch gut dargeboten und laden ein, einige Zeit zu verweilen. Die genutzte Sprache hingegen zeigt deutlich, in welchem Kontext diese Exponate vorgestellt werden. Die Frage nach den Beziehungen von Menschen zu anderen Tieren werden – wie auch nicht anders zu erwarten – nicht hinterfragt. Bei einem Interesse über die Nutzung von nichtmenschlichen Tieren beim Militär bietet die Ausstellung einen guten Ausgangspunkt für die weitere Beschäftigung mit dem Thema. Eine kritische Hinterfragung, sowohl des Militärs im Allgemeinen und der Ausbeutung von nichtmenschlichen Tieren im Besonderen, findet in der Ausstellung nicht statt. Diese kritische Auseinandersetzung kann, im besten Fall, durch die Besuchenden geschehen, inwieweit dies stattfindet, lässt sich an dieser Stelle nicht überprüfen.
Ein Besuch erscheint durchaus sinnvoll, um die Logik der Tiernutzung/-ausbeutung beim Militär aus erster Hand zu recherchieren
Der Themenparcours im MHMD bietet für tierrechtlich motivierte Personen wenig Bezugspunkte außer der beschreibenden Informationen. Andererseits zeigt die Ausstellung die Überschneidungen von Tierausbeutung und Militarisierung von Gesellschaften. Diese Überschneidung sollte auch von Aktivist*innen der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung und der Antimilitaristischen Bewegung wahrgenommen und im Gegensatz zur Ausstellung im MHMD kritisch aufgearbeitet werden.
Ob wir eine Empfehlung aussprechen können, diese Ausstellung zu besuchen? Wie bereits formuliert ist der Themparcours mit vielen Informationen bestückt, die jedoch hinterfragt werden müssten. Aus Tierrechts-/Tierbefreiungsperspektive bietet die Ausstellung weniger sinnvolle Argumente, dafür aber Informationen zur Ausbeutung von nichtmenschlichen Tieren beim Militär aus der Perspektive des Militärs selbst. Daher erscheint es durchaus sinnvoll, die Ausstellung zu besuchen, um die Logik der Tiernutzung/-ausbeutung beim Militär aus erster Hand zu recherchieren[2].
[1] Die Sprache beim Militär, so wie in weiten anderen Teilen der Gesellschaft, ist stark androzentrisch – also durchweg männlich – geprägt.
[2] Angemerkt werden muss an dieser Stelle, dass das Museum eine Institution der Bundeswehr ist und durch den Besuch eine militärische Einrichtung mitfinanziert wird.
Zum weiterlesen:
TIERBEFREIUNG #97: „Tiere im Krieg“
Angesichts der weltweiten Konflikte, die in unserer westlichen Wohlstandsgesellschaft zu Hause an den Fernsehbildschirmen konsumiert werden, stellt sich die Frage nach dem Schicksal anderer Tiere, als dem der Menschen, in den Medien so gut wie nie. Dennoch findet sich reichlich Literatur zum Thema „Tiere im Krieg“, in dem jedoch von einem rein anthropozentrischen Standpunkt aus betrachtet wird, welche Rolle Pferde, Hunde, Brieftauben oder Elefanten in den Kriegen dieser Welt spielten. Vor dem Hintergrund einer überwiegend selbstbeweihräuchernden Bestandsaufnahme wird geschildert, wie ausgeklügelt die Kriegsmaschine Menschen und andere Tiere und die jeweilige vorhandene Technologie miteinander verknüpft hat, um die größtmögliche Effektivität, also Tötungskapazität, zu erreichen … mehr Infos hier.
Jessica Ullrich, Mieke Roscher, (Hrsg.)
Tierstudien. 12/2017: Tiere und Krieg
Neofelis Verlag 2017, 185 Seiten, 12,00 Euro
Diese Ausgabe von Tierstudien geht der Verbindung von Tieren und Kriegen nach. Sie versammelt Beiträge aus der Philosophie, den Postcolonial Studies, der Literaturwissenschaft, der Geschichtswissenschaft, der Kunstgeschichte, der Soziologie und der Archäologie… mehr Infos hier.
Erstveröffentlichung im Magazin TIERBEFREIUNG 97, Dezember 2017 | Themenschwerpunkt "Tiere im Krieg" | www.tierbefreiung.de/tierbefreiung-97