Am 13. Oktober 2017 hatten wir Christian Adam in die kosmotique zu einem Vortrag über „Tierrechtsrecherchen in der ‚Nutz’tierhaltung: Umsetzung, Bedeutung und Chancen“ eingeladen. Er selbst ist seit mehreren Jahren als Recherche-Aktivist aktiv, dokumentiert und veröffentlicht die grausame Realität der tierausbeutenden Industrie mittels Film- und Bildmaterial. In der gut gefüllten kosmotique nahmen knapp 30 Besucher*innen an dem Vortrag teil.

In seiner Präsentation stellte Christian, der aktuell für tierretter.de aktiv ist, Relevanz, Möglichkeiten und Grenzen der Recherchearbeit als eine Form des Aktivismus vor. Neben rein praktischen Fragen, beispielsweise der juristischen Einordnung der Recherchearbeit, für die sich zumeist nachts Zutritt in die Ställe der Landwirt*innen verschafft wird, berichtete Christian auch über persönliche Erfahrungen und seinen Zugang zur Recherchearbeit.

In dem etwa 1 ½ stündigen Vortrag wurde deutlich, dass Recherchearbeit zum Großteil durch Vorrecherche und Nachbereitung bestimmt ist und die Zeit, die tatsächlich in den Ställen verbracht wird, nur einen Bruchteil der Gesamtarbeit ausmacht. Die einzelnen Abschnitte der Recherchearbeit lassen sich wie folgt zusammen fassen:

Vorrecherche: Auswahl des Themas, welches das auf Ausbeutung und Machtstrukturen basierende System der Tierindustrie aufzeigen soll. Bspw. Zustände in der Schweinemast; Auswahl des Betriebes in dem recherchiert wird; die genaue Planung der Aktion

Recherche vor Ort: Der Zutritt in die Ställe geschieht grundsätzlich ohne die Zerstörung von Eigentum der Landwirt*innen. Außerdem haben beteiligte Aktivist*innen Schutzanzüge und desinfiziertes Equipment dabei, um keine Keime in die Ställe zu tragen. Filmaufnahmen können so direkt oder mittels angebrachter versteckter Kameras gewonnen werden. Um mögliche Zweifel an der Aktualität und des Standortes aus dem Weg zu räumen, wird eine aktuelle Tageszeitung sowie GPS-Geräte mit Standortkoordination im Bild positioniert.

Nachbereitung: Hier werden die gewonnenen Aufnahmen, die immer wieder unermessliches Leid der Tiere dokumentieren, so aufbereitet, dass sie veröffentlicht werden können. Viele Stunden Arbeit werden hier für die Auswahl der Bilder und den Schnitt der später veröffentlichten Dokumentarfilme investiert. Mittlerweile besteht ein guter Kontakt zu den Medien, berichtet Christian, die auf Grund der professionellen Arbeit und der Glaubwürdigkeit des Vereins gern die Ergebnisse der Recherchen veröffentlichen.

»Wir stellen unsere Forderungen klar an die Gesellschaft! Wir brauchen eine starke und differenzierte Diskussion über unser Verhältnis zu Tieren – diese Diskussion sollte sich weniger um die Art und Weise wie wir Tiere halten und töten drehen, sondern vielmehr um die Frage, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, Tiere für unseren Konsum zu züchten, einzusperren und zu töten.«

In Filmausschnitten aus aktuellen TV-Sendungen konnten die Besucher*innen einen Eindruck über die Ergebnisse von Recherchearbeiten gewinnen.
Christian berichtete auch über die Grenzen von Recherchearbeit, zum Beispiel am Fall Schulze Föcking, der amtierenden Landwirtschaftsministerin in NRW (CDU). Mit der Veröffentlichung des Recherchematerials vollzog sich ein regelrechter Aufschrei in den Medien bis hin zu Rücktrittsforderungen, welche durch parteipolitische Forderungen und Instrumentalisierung anderer NGO‘s unterstützt wurde. Dass solche Zustände nicht nur bei der amtierenden Landwirtschaftsministerin, sondern auch in unzähligen andern Ställen herrschen, findet in den Medien weit weniger Beachtung. In einem Statement des tierretter.de e.V. heißt es: „Wir stellen unsere Forderungen klar an die Gesellschaft! Wir brauchen eine starke und differenzierte Diskussion über unser Verhältnis zu Tieren – diese Diskussion sollte sich weniger um die Art und Weise wie wir Tiere halten und töten drehen, sondern vielmehr um die Frage, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, Tiere für unseren Konsum zu züchten, einzusperren und zu töten.“ Weiterführende Informationen zum Fall Schulze Föcking könnte ihr hier nachlesen.

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Recherche in der Entenmast. Christian Adam von tieretter.de

Es wird deutlich, dass Tierrechtsrecherchen in einer Gesellschaft, in der das Ausbeuten von fühlenden Lebewesen nicht nur nicht klar benannt, sondern beschönigt und falsch dargestellt wird, einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung leisten. Christian bezeichnet Recherchearbeit allerdings als „einen Teil des Ganzen“, welches durch weitere  Aktionsformen und aktiver Tierrechtsarbeit einen gesellschaftlichen Wandel antreiben soll. Es geht um die grundsätzliche Veränderung von Strukturen die auf Macht und Ausbeutung basieren, die in der Tierrechts/Tierbefreiungsbewegung angestrebt werden. Das diese gesamtheitliche Kritik in den Medien oft missverstanden wird, benennt Christian als eine Grenze der Recherchearbeit, ebenso die mangelnde Abbildbarkeit bestimmter Praktiken.

Außerdem wurde deutlich, dass Recherchearbeit für die Bewegung nur dann hilfreich ist, wenn sie gut organisiert und professionell durchgeführt wird. Unvorbereitete Blitz-Aktionen fallen auf alle anderen Rechercheteams zurück. Christian empfiehlt sich einem bestehenden Verein anzuschließen, sollte man in diesem Bereich der Bewegung mitwirken wollen.

Christian konnte mit seinem Vortrag im Rahmen unserer Reihe „Learning to Fly – eine andere Welt ist machbar!“ einen aufschlussreichen Einblick in die Aktionsform der Tierrechtsrecherche geben.

Wir bedanken uns bei der kosmotique, die uns ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hat, sowie bei allen Teilnehmenden und bei Christian für seine ausführliche Präsentation.
Mehr über die Arbeit von tierretter.de erfahrt ihr unter: https://tierretter.de/
Christian‘s Fotoblog zu Aktivismus und Tierrechten findet ihr hier: www.die-augen-der-anderen.de

 

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