Bericht und Redebeitrag von der Kundgebung am 15. Dezember 2022 vor dem Dresdner Weihnachts-Circus
Alle Fotos: PhiliciousPhotos.de – Philipp Lang

Zur Premiere am 15. Dezember 2022 beteiligten sich circa 40 Demonstrant:innen, darunter ein mutiges, geduldiges Kind, an einer Kundgebung, die von tierbefreiung dresden und Anima e.V. organisiert wurde. Die Demonstrierenden fordern nicht die Abschaffung des Zirkusses, sondern die Abschaffung der Tiernutzung und Tierausbeutung im Zirkusbetrieb.
Zirkusse mit Tieren bedeuten immer offene oder verschleierte Gewalt. Obwohl Dressuren gerne als sanft und liebevoll propagiert werden, kommen diese nicht ohne Zwang und Demütigung aus. Denn entgegen den Behauptungen von Zirkus und Presse geht es letztendlich in der Manege nicht um das Wohl der Tiere, sondern um erzielte Gewinne, Werbung für Sponsor:innen und ein kurzweiliges Vergnügen für das Publikum.

Während der Kundgebung gab es mehrere Redebeiträge, die die tägliche Situation der Tiere im Zirkus beschreiben und einen Dialog zwischen Zirkusbefürworter:innen und Zirkusgegner:innen. Außerdem werden am Beispiel des Dresdner Weihnachts-Circus weitere Diskriminierungsformen sichtbar:

„[…] Darüber hinaus macht es einen großen Unterschied, ob ein Wesen der subjektlosen Gewalt des Marktes ausgesetzt ist, oder ob ein Wesen der direkten, personalen Gewalt von Menschen unterliegt – wie es hier im Zirkus geschieht. Unterschiedliche Formen von Unterdrückung sind hier verbunden – sowohl gegen Tiere als auch gegen Menschen. Das wird an folgendem Beispiel plastisch erkennbar: Wohl nicht von ungefähr verschenkte der Dresdner Weihnachts-Circus im Winter 2017/2018 Freikarten an den Verein Dresdner Bürger helfen Obdachlosen und Bedürftigen e.V.. Das ist eine Institution, die laut Zeit Online bevorzugt deutschen Obdachlosen hilft’ [1]. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, weshalb Unterstützung von Menschen bei Hunger und Kälte von deren Staatsangehörigkeit abhängen sollte. Dass der Betreiber dieser Obdachlosen-Initiative bereits häufig auf Demonstrationen des rassistischen PEGIDA-Bündnisses gesehen wurde, fügt sich als weiteres Puzzleteil in das Gesamtbild.“

Deutschland ist neben Italien, einigen Regionen Spaniens und bis zum vollständigen Inkrafttreten der Zirkusreform von November 2021 auch Frankreich eines der wenigen EU-Länder, das noch immer keinerlei Restriktionen auf diese Praxis eingeführt hat. In Deutschland sind zahlenmäßig die meisten Zirkusse registriert, die meisten Zirkustiere und auch die meisten Unfälle inkl. Todesfälle (inkl. Menschen) [2, 3]. Einige Kommunen Deutschlands haben ein Verbot der Verpachtung öffentlicher Flächen an Zirkusse mit Wildtieren erwirkt [4]. Dresden nicht.

Vielen Dank an alle Teilnehmenden, die trotz der Kälte gekommen und geblieben sind.

Links/Quellen:

[1] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-12/sachsen-pegida-sozialarbeit-deutsche-obdachlose-fremdenfeindlichkeit-fluechtlinge/komplettansicht

[2] Wild Animals in EU Circuses report: https://www.eurogroupforanimals.org/library/wild-animals-eu-circuses-problems-risks-and-solutions

[3] Situation of Circuses in general: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/11bd70ea-33bb-11ea-ba6e-01aa75ed71a1

[4] Liste mit Kommunen, die Zirkusse mit Wildtieren verbieten: https://www.peta.de/themen/wildtiere-zirkus-verbot/


Redebeitrag für die Kundgebung gegen den Dresdner Weihnachts-Circus (allgemeiner Teil)

Wir sind hier, um gegen den Dresdner Weihnachts-Circus zu demonstrieren. In dieser Institution werden Tiere aus Gründen des Profits Stress und Gefangenschaft ausgesetzt – ungeachtet ihrer tatsächlichen Bedürfnisse.

Allerdings wollen wir uns auch umfassend gegen weitere gängige Praktiken positionieren, die von Herrschaft und Ausbeutung geprägt sind. In unserer Gesellschaft werden Tiere zu unterschiedlichen Zwecken der Ausplünderung unterworfen. Sei es als diejenigen, die ihr Leben für unsere Nahrung oder Kleidung geben müssen, oder solche, denen im Namen der Wissenschaft Schmerz und Leid zugefügt wird und die ebenfalls ihr Leben zu diesem Zweck lassen.

Wir sind für einen Zirkus ohne Tiere! Natürlich sind wir uns bewusst, dass auch Menschen im Kapitalismus ihre Arbeitskraft verkaufen, und das ist ebenfalls unweigerlich mit Ausbeutung und Herrschaft verbunden. Doch sind Menschen ganz andere Werkzeuge zugänglich, um sich dagegen zu wehren. Darüber hinaus macht es einen großen Unterschied, ob ein Wesen der subjektlosen Gewalt des Marktes ausgesetzt ist, oder ob ein Wesen der direkten, personalen Gewalt von Menschen unterliegt – wie es hier im Zirkus geschieht.

Unterschiedliche Formen von Unterdrückung sind hier verbunden – sowohl gegen Tiere als auch gegen Menschen. Das wird an folgendem Beispiel plastisch erkennbar: Wohl nicht von ungefähr verschenkte der Dresdner Weihnachts-Circus im Winter 2017/2018 Freikarten an den Verein „Dresdner Bürger helfen Obdachlosen und Bedürftigen e.V.“. Das ist eine Institution, die laut Zeit Online „bevorzugt deutschen Obdachlosen hilft“ (https://www.zeit.de). Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, weshalb Unterstützung von Menschen bei Hunger und Kälte von deren Staatsangehörigkeit abhängen sollte. Dass der Betreiber dieser Obdachlosen-Initiative bereits häufig auf Demonstrationen des rassistischen PEGIDA-Bündnisses gesehen wurde, fügt sich als weiteres Puzzleteil in das Gesamtbild.

Unser heutiges Verhältnis zu Tieren ist geprägt von Herrschaft und einseitigem Nutzen. Dies hat verschiedene Ursachen: Zum einen basiert es auf einer kommerziellen Aneignung ihrer Körper durch den Menschen. Diese Aneignung hat eine lange Geschichte. Im Zuge der Entwicklung von Sesshaftigkeit in der Jungsteinzeit entstanden zwischenmenschliche Herrschaftsverhältnisse sowie eine patriarchale Familienstruktur – und auch die Unterwerfung der Natur hat hier ihren Ursprung. In dieser Zeit beginnt die Domestizierung. Zum anderen ist das Verhältnis kulturell-ideologisch vermittelt. Von der Bibel und dem Gedankengut der Antike bis zu den Schriften der Aufklärung ist die Gesamtheit der Tiere wirkmächtig als Gegenpart, als das sogenannte Andere konstruiert worden – das Natur-behaftete, Körperliche, Sterbliche im Vergleich zum vergeistigten, unsterblichen Menschen. Die Vielfältigkeit der sich teilweise stark unterscheidenden Tierspezies blieb und bleibt dabei völlig unberücksichtigt.

So erscheint es nur konsequent, dass das weihnachtliche Circus-Spektakel von einem christlichen Gottesdienst begleitet wird: Denn der biblische Auftrag an den Menschen, die Natur zu beherrschen und zu unterwerfen, wird in diesem Circus sinnlich wahrnehmbar umgesetzt. Die viel geforderte Nächstenliebe wird den Tieren hier nicht zuteil.

Im Zuge des sich in den vergangenen Jahrhunderten entwickelten Kapitalismus kommt eine weitere Verschärfung der Situation hinzu: In einer Welt, in der alles zur Ware degradiert wird, was nicht selbst als Privateigentümer:in auftritt, erlebt die Natur eine weitere Stufe der Verdinglichung und Entwürdigung – und als Teil der Natur auch die Tiere. Wir sehen daher den Kampf um die Befreiung der Tiere untrennbar mit dem Kampf der Menschen um ihre eigene Befreiung verbunden. Eine Überwindung des Kapitalismus ist hierfür unabdingbar.

Machen wir Schluss mit Erniedrigung und Knechtschaft!

Für eine Welt ohne Ausbeutung, Herrschaft und Patriarchat!

Für eine Gesellschaft jenseits von Ware, Kapital und Staat!

 

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