Ein Rückblick auf den Vortrag am 11. September

Im Rahmen der Libertären Tage 2018 organisierten wir drei Veranstaltungen. Neben einer Lesung über „Radikale Ökologie“ gab es am Thementag „Tierbefreiung & Anarchie“ einen Stadtrundgang aus Tierbefreiungsperspektive sowie den Vortag „Tierbefreiung und Queer-Feminismus“. Für den Vortrag war Swetlana Hildebrand vom Chimaira AK am 11. September im malobeo zu Gast.

Nach der Küfa startete gegen 20:15 Uhr im sehr gut besuchten malobeo der einstündige Vortrag. Swetlana stellte zuerst sich und den Chimaira Arbeitskreis für Human-Animal-Studies vor. Dieser setzt sich interinterdisziplinär mit Mensch-Tier-Verhältnissen auseinander, die in weitere Machtverhältnisse eingebettet sind.

Im Anschluß skizierte sie die Tierrechts-/ Tierbefreiungstheorie, erklärte Begriffe wie Speziesismus und Karnismus* und stellte die Aktionsformen der herrschaftskritischen Tierbefreiungsbewegung näher vor.

* Speziesismus bezeichnet die Diskriminierung von Lebewesen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit. Karnismus bezeichnet das unsichtbare Glaubenssystem, das Menschen darauf konditioniert, bestimmte Tierarten zu essen.

Nach einem kurzen Blick auf die Queer-Theorie, thematisierte sie die Schnittmenge beider Theorien: Gemein hat die Tierbefreiungstheorie mit der Queer-Theorie im wesentlichen eine ausgeprägte Kritik am Natur-Kultur-Dualismus. Seit der Antike existiert in der westlichen Denkweise ein duales Wertemuster, das „naturgegebene“ Hierarchien impliziert: Mann und Frau, Schwarz und Weiß, homo- und hetero, oder eben Mensch und Tier. Frauen, Schwarze, Indigenas und Tiere werden dem (begrifflichen) Raum der „Natur“ zugeordnet und bilden den Gegensatz zur „Kultur“ – und damit zum männlichen, weißen, „zivilisierten“ Menschen. Diese „soziale Konstruktion des Anderen“ führt zu den vermeintlich unüberwindbare Grenzen und trägt so zur Festigung unterschiedlicher Herrschaftsmechanismen bei.

Betont wurden im Vortrag jedoch auch die Unterschiede und Fallstricke zwischen Tierbefreiungs- und Queer-Theorie. So können Tiere zum Beispiel nicht ihre eigenen Interessen vertreten. Auch das intersektionelle Ziel der Inklusion von Tieren in politische Prozesse ist schwierig.

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Wie die alltägliche Umsetzung dieser Mechanismen funktionieren, wurde dann anhand von zwei Beispielen aus der Werbung verdeutlicht. Bei der Werbung „Tofu ist schwules Fleisch“ von der Restaurantkette Maredo oder dem EDEKA-Werbesport „Herren Des Feuers“ (YouTube) wird deutlich, wie Männlichkeit über Fleischkonsum und Frauenfeindlichkeit hergestellt wird.

Mehr Intersektionalität wagen

Schon seit den 1990er-Jahren ist in der Tierbefreiungsbewegung die Idee der Unity of Opression fest verankert. Dahinter steht die Theorie, dass Unterdrückungsmechanismen wie Sexismus, Rassismus, Klassismus und eben auch Speziesismus einander ähneln, miteinander verbunden sind und daher auch gemeinsam bekämpft werden müssen. Dabei muss nicht unbedingt „krampfhaft nach Überschneidungen oder einem gemeinsamen Aktionsfokus (wie zum Beispiel homophober Pelzwerbung) gesucht werden. Wichtiger ist hier der Austausch und das gemeinsame sich Solidarisieren und empathisch für andere Kämpfe zu sein.“

Die Libertären Tage waren für uns eine gute Gelegenheit, den Fokus mehr in Richtung Intersektionalität zu rücken, die Vernetztheit von Speziesismus mit anderen Unterdrückungs-, Ausbeutungs- und Diskriminierungsformen aufzuzeigen. Zumindest in Teilen sieht sich die Tierrechtsbewegung als Single-Issue-Bewegung und verliert so die bestehenden kapitalistischen, sexistischen, trans- und homophoben Verhältnisse aus dem Blick. Dabei gibt es, wie auch dieser Abend gezeigt hat, zahlreiche Schnittmengen, die bei Aktionen mitgedacht werden sollten.

Vielen Dank an Swetlana, die mit ihrem Vortrag einen guten Einstieg gibt, das Thema zu vertiefen:

  • Im Blog von Friedericke Schmitz gibt es einen ausführlichen Beitrag über Fleischlust und „Fleischeslust“, männliche Herrschaft und weibliches Mitleid, Tierbefreiung und Feminismus:
  • Den Artikel „Queer- und Tierbefreiung, wie geht das zusammen?“ von Swetlana Hildebrand findet ihr in der TIERBEFREIUNG 96 (PDF, ab Seite 64). Im gleichen PDF ist der Artikel „The Sexual Politics of Meat“? Zum Verhältnis von Tierausbeutung und Frauenfeindlichkeit“ ab Seite 84 zu lesen.
  • Ein Interview mit Swetlana über Human-Animals Studies, Queeraktivismus und den CSD in Freiburg gibt es beim Vegan-Rainbow-Project.
  • Informationen über die Arbeit des Chimaira AK und deren Bücher findet ihr auf www.chimaira-ak.org

Die Forstetzung ihres Artikels „Queer- und Tierbefreiung“ in der TIERBEFREIUNG ist für die Ausgabe 101 (erscheint Mitte Dezember 2018)
geplant.

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